The Dead South / Corb Lund, Palladium Köln, 12.06.2024

“Kanadischer Bluegrass in Köln-Mühlheim”


Als ich die erste Ankündigung sah, dass die kanadischen Bluegrasser von The Dead South im Palladium spielen werden, war ich überrascht. Das Palladium ist eine der größeren Konzerthallen in Köln und fasst bis zu 4000 Leute. Regelmäßig wird solche Musik in den kleineren Hallen und Clubs wie dem Blue Shell oder dem Luxor präsentiert. Selbst eine Bluegrass-Größe wie Billy Strings hat letztes Jahr „nur“ im Carlswerk Viktoria gespielt. Die vier Jungs aus Regina, Sasketchewan müssen in den letzten Jahren viele Zuschauer begeistert haben, um eine solch große Konzertgemeinde zu mobilisieren. Auf dem Weg zur Halle sehe ich schon einige Fans, die das Outfit der Band mit schwarzem Hut tragen. Als ich die Halle betrete, ist diese schon gut gefüllt. Respekt!
Pünktlich um 20 Uhr betritt ein hochgewachsener Cowboy mit großem weißen Stetson-Hut die Bühne. Es ist Corb Lund aus Taber, Alberta. Corb Lund ist ein bekannter Fahrensmann der nordamerikanischen Country- und Bluegrass-Szene. Er hat seine Band mitgebracht: Sean Burns am Stand-Up-Bass, Lyle Molzan am Schlagzeug und Grant „Demon“ Siemens an den Saiteninstrumenten. Es geht zwar etwas schleppend los mit zwei traditionellen Country-Songs, aber das sollte sich ändern. Es wird schnell klar, dass hier ein Meister seines Fachs auf der Bühne steht. Er hat bereits elf Alben veröffentlicht und viele Auszeichnungen erworben. Die Songs handeln von Beziehungsproblemen, Alkohol und den typischen Problemen von Cowboys auf der Nordweide. Was aber direkt klar wird: Die Stücke transportieren hierbei auch ein authentisches Lebensgefühl, das in dieser traditionellen Musik zum Ausdruck kommt und auch alle Cowgirls und Cowboys im Palladium zu erfassen scheint. Besonders gefällt mit „Dig Gravedigger Dig“ (von Cabin Fever, 2012) und „Horse Soldier, Horse Soldier“ vom gleichnamigen Album (2007). Das Spiel von „Demon“ Siemens auf der Gitarre begeistert mich. Bei seinen Gitarrenläufen fühle ich mich teilweise an die Stimmung erinnert, die Jerry Garcia auf dem Grateful Dead-Album „Workingman‘s Dead“ geschaffen hat. Ein gelungener Auftakt. Den Musikern von The Dead South scheint es an Sebstbewusstsein nicht zu fehlen, wenn sie ihr Konzert von einer solchen Band eröffnen lassen.

Um 21:15 Uhr ist der Bühnenumbau geschafft. Eine typische Westernstadt erscheint als Dekoration. Die Band betritt die Bühne: Neben Nate Hilts (Gitarre; Gesang), Scott Pringle (Mandoline, Gitarre, Gesang) und Danny Kenyon (Cello/Bass und Gesang) erscheint ein Jüngling auf der Bühne, der mich etwas an den Fussballer Tony Kroos während seiner A-Jugend-Zeit erinnert. Anstelle des Stamm-Banjo-Spielers Colton Crawford wird heute Caelum Scott aus Victoria, British Columbia am Banjo aktiv sein. Nate wird ihn später „The Disciple“ (der Schüler) vorstellen und preisgeben, dass er heute überhaupt erst das neunte Mal auf einer Bühne steht. Um es vorwegzunehmen: er wird einen guten Job machen! The Dead South werden heute einige Stücke ihres neuen Albums „Chains & Stakes“ (2024) spielen, etwa „A little Devil“, „Where has the Time gone“ und „Clemency“, garniert mit Stücken Ihrer bisherigen Alben. Für mich sticht „Black Lung“ (von „Sugar & Joy“, 2019) heraus. Ich glaube zu erkennen, warum sich die Band von vielen anderen Musikern abhebt, die musikalisch im selben Stil unterwegs sind. Es ist die Intensität der Songs, die eigene Mischung von Bluegrass/Folk/Country und die atemberaubenden Stimmungswechsel in den Songs. Hierbei ist faszinierend, wie Danny Kenyon sein Cello einerseits als Bassgitarre einsetzt und es dann wieder in seiner ursprünglichen Form nutzt. Die Stimmung der Musik wird verstärkt durch die beeindruckenden Lichteffekte, die die Westernstadt-Deko und das gesamte Palladium überfluten.
Als Zugabe spielen sie noch „Broken Cowboy“ (von „Sugar & Joy) und „Banjo Odyssey“ (von „Good Company“, 2014). Nach 90 Minuten ist dann Schluss. Alles ist gut. Ich reite in den Sonnentergang nach Hause.


Thomas Höhner

The Dead South

Corb Lund