The Bridge City Sinners, Köln, MTC, 31.07.2024

“Folk in die Fresse”


Es hat sich wieder mal eine interessante Band im MTC, einem Musikclub am Zülpicher Platz in Köln, angekündigt: Die Bridge City Sinners aus Portland, Oregon („Bridge City“). Die Band sieht ihre Musik irgendwo zwischen Appalachian Death Folk und dem Jazz aus der Prohibitionszeit, was mich neugierig gemacht hat. Für diesen dunklen und bösen Folk scheint die im Keller gelegene Location des MTC bestens geeignet. Ich hatte auch auf Abkühlung gehofft, wurde aber enttäuscht. Als ich im bereits gut gefüllten Keller ankomme, ist es tropisch warm. Es sollte noch höllisch heiß werden heute Abend!

 

 Lightnin‘ Luke Bridge City Sinners Köln, MTC, 31.07.2024

Um kurz nach 20 Uhr erscheint Lightnin‘ Luke, der bei den Bridge City Sinners die Geige spielt. Er erinnert mich äußerlich an einen Waldschrat aus den Pinienwäldern der nordamerikanischen Rockys. Fast ganz in schwarz gekleidet, trägt er eine dunkle Sonnenbrille und ist statt der Geige mit einer Gitarre bewaffnet. Er muss nur kurz seinen Hut heben, um das nach Musik dürstende Publikum einzunehmen. In der Folge spielt er einige Stücke seines Albums „Volume 2“ (2019), wobei mir besonders „The only Cowboy in Portland“ und „44 Blues“ gefallen. Die Musik ist eine schöne und eingängige Mischung aus Folk und Country-Blues. Luke wird auch einiges von sich, seiner Herkunft und seinem Weg zur Musik erzählen. Er erklärt, wo er sich und seine Songs in dieser eher traditionellen Musikform des Folk sieht. Das ist alles sehr kurzweilig, die Songs und die Stimme sind stark. Nach einer guten halben Stunde ist Schluss. Wer es in dieser kurzen Zeit schafft, den Saal zum Jodeln zu bringen, der hat gut unterhalten!

The Bridge City Sinners, Köln, MTC, 31.07.2024

Um kurz nach 21 Uhr betreten die Bridge City Sinners die Bühne des MTC. Blickfang ist die bis zur Stirn tätowierte Frontfrau der Band, Libby Luxury, die von vier eher dunkel gekleideten Musikern begleitet wird. Die Band hat die Besetzung einer traditionellen Bluegrass-Band mit Banjos, Gitarren und Stand-Up- Bass. Sie beginnen mit „Kreacher“ vom Album „Here’s to the Devil“ (2019), bei dem es um den König der Ratten geht, der von den Untoten zurückkehrt. Es wird schnell klar, dass das heute kein gemütlicher Folk-Abend wird. Es gibt musikalisch „was auf die 12“. Libby erzählt zur Begrüßung, dass ihr vor ein paar Wochen erschienenes Album „In the Age of Doubt“ es in die Bluegrass-Billboard-Charts geschafft hat. Das Album handelt von Selbstzweifeln, Angststörungen und Verschwörungstheorien über sich selbst. Das Album wirkt wie eine (sehr gelungene) musikalische Bewältigung dieser persönlichen Probleme. Sehr empfehlenswert!

Doch zurück ins MTC: ich habe mich in der Umbaupause weiter nach vorne gekämpft. Bei „Rock Bottom“ (von „Unholy Dreams“, 2021) und „Song of the Siren“ (von “Here’s to the Devil”, 2019) fangen die vorderen Reihen fast pogomäßig zu tanzen an. Die Stimmung ist völlig ausgelassen. Die Musik ist wirklich einzigartig. Es ist ein besonderer Mix aus Folk, Bluegrass, Country, gewürzt mit Jazz und Punk und gespickt mit Metal-Elementen wie dem Growling. Sie besingen den Teufel, Untote und andere üble Kreaturen, wobei es scheint, als bekämpften sie ihre eigenen Dämonen mit ihrer Musik. Dabei nehmen sie sich selbst scheinbar nicht allzu ernst. Anders als die von ihnen besungenen Gestalten kommen sie alle ziemlich sympathisch rüber. Es scheint, als wären sie selbst ein wenig überrascht, wie gut sie heute beim Publikum ankommen. Zum Ende spielen sie mit „Break the Chain“ noch den rockigen Opener vom neuen Album „In the Age of Doubt“ (2024). Ich bin komplett durchgeschwitzt und beschließe mir noch schnell ein frisches T-Shirt am Merch-Stand zu kaufen. Die Energie auf der Bühne und beim Publikum ist atemberaubend. Eine wilde Show, die ich so schnell nicht vergessen werde.


Thomas Höhner